Leben und Werk von Hanns Klemm

Hanns Klemm während seiner Balkanreise 1934.
Die KL 26 hat übrigens einen Argus-Motor  mit 120PS!

Hanns Klemm wurde 1885 in Stuttgart geboren. Zwischen 1903 und 1907 studierte er in Stuttgart an der technischen Hochschule Bauingenieur und arbeitete bis 1914 in seinem Beruf bei diversen Firmen.
1914 zog er als Freiwilliger in den Krieg. 1915 wurde er so krank, dass er nicht mehr im Frontdienst eingesetzt werden konnte und übernahm Aufgaben bei der Danziger Werft.

1918 wurde Hanns Klemm, nach einer Zwischenstation bei dem Luftschiffbau Zeppelin und den Hansa-Brandenburg-Flugwerken, Chefkonstrukteur des Flugzeugbaus bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Hier baute er eigenständig seine ersten Flugzeugtypen L11 und L14.

Durch den Versailler Vertrag wurde der Bau von Flugzeugen sehr beschränkt, dies betraf auch die Fa. Daimler. Hanns Klemm wurde Technischer Direktor des Karosseriebaus in Sindelfingen, dem er bis Ende 1926 sehr große Impulse geben konnte. Parallel dazu entwickelte er mit der L15 das erste Leichtflugzeug der Welt und die Typen L20 und L21, die bereits die Bezeichnung Klemm-Daimler trugen.

Nach dem Zusammenschluss von Daimler und Benz wollte sich die Firma DB auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und beschloss, den Flugzeugbau trotz hervorragender Erfolge und gutem Absatz aufzugeben. Hanns Klemm kündigte und machte sich Ende 1926 selbstständig, was man heute als Management-buy-out bezeichnen würde.

Auf dieser Basis gründete Dr. Hanns Klemm die Leichtflugzeugbau Klemm (LFK) in Böblingen.

Klemm war in Böblingen ein bedeutender Arbeitgeber. Die Belegschaft wuchs von 50 Mitarbeitern 1928 auf 250 Mitarbeiter 1933 bis rund 900 Mitarbeiter 1941. Die Lehrlingsausbildung bei Klemm galt als vorbildlich.

Auch galt Klemm als technisch sehr innovatives und kommerziell sehr erfolgreiches Unternehmen
Die Vision von Hanns Klemm war Flugzeuge zu bauen, die ähnlich wie das Automobil größeren Bevölkerungsschichten möglich machen sollten, ein Flugzeug zu erwerben und zu unterhalten.
Dazu musste ein Flugzeug einfach in der Herstellung und günstig im Unterhalt sein, am Besten auch noch in eine Garage passen. Dieser Grundforderung mussten sich alle Entwicklungen unterordnen.

Aus diesem Grund waren Klemm-Flugzeuge hinsichtlich PS-Werten und Geschwindigkeiten nicht spektakulär – aber spektakulär hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Alltagstauglichkeit. Fast jeder Flieger in Deutschland hat in den 20er und 30er Jahren das Fliegen auf einer Klemm gelernt.

1932 erreichte die Produktion eine Stückzahl von 25 Flugzeugen pro Monat! Auslandsgesellschaften wurden gegründet u.a. in den USA, Großbritannien und Schweden.

1933 ergriffen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland und auch Hanns Klemm wurde 1933 in der Begeisterung der "Aufbruchstimmung in Deutschland" Mitglied in der NSDAP.

1934 nahm der Einfluss der Nazis auf die Wirtschaft immer mehr zu. Als Unternehmer durfte Hanns Klemm nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen und es wurde durch das Reichsluftfahrtministerium ein scharf herabgesetztes Monatsgehalt festgelegt. 
Zur Erweiterung der Klemm-Werke entstand 1934/1935 auf Druck des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) ein Werk in Halle an der Saale, an das Direktor Klemm eine Reihe seiner Mitarbeiter und den Entwurf einer 2-motorigen Maschine, der FH 104, abgeben musste. Aus diesem Werk entstanden dann die Siebel Flugzeugwerke, nachdem Hanns Klemm dieses Werk 1937, wieder auf Druck des RLM, an seinen ehemaligen Freund und Werksvertreter Friedrich W. Siebel abgeben musste.
Ferner griffen die Nazis immer mehr in Führung der Firma und in die Besetzung von Führungspositionen ein, bewährte jüdische Mitarbeiter mussten entlassen werden, Fremdfabrikate z.B. die Zellen der Messerschmitt-Düsenjäger Me 163 mussten bei Klemm gebaut werden. Hanns Klemm lehnte die Anweisung aus Berlin ab und erhielt dafür ein Verfahren wegen Sabotage und musste als Geschäftsführer zurücktreten. – 
Hanns Klemm war nicht mehr Herr im eigenen Hause.

Hanns Klemm war praktizierender Christ und regelmäßiger Kirchgänger und die Vorgänge in seiner nächsten Umgebung und in Deutschland ließen den Widerspruch zu seiner NS-Mitgliedschaft immer existentieller werden. Auch hatte er zu Vorfällen nicht schweigen können und 1937galt er bereits als politisch unzuverlässig, so dass ihm "jede Befähigung zur Bekleidung eines Parteiamtes" abgesprochen wurde.
Im Juni 
1943 wagte Hanns Klemm das Unglaubliche, er trat aus der NSDAP aus. Zur Begründung gab er am 26. Mai 1943 an: „Ich halte meine Mitgliedschaft bei der NSDAP nicht mehr vereinbar mit meiner Angehörigkeit zur christlichen Gemeinde".
Die Reaktion auf den Austritt aus der NSDAP
 ließ nicht lange auf sich warten.
Hanns Klemm musste, um das Vermögen zu retten, seine Firma an seine Frau übertragen. Das Finanzamt Böblingen berechnete 50.000 RM Schenkungssteuer, da es diese mit 330% bewertete.
Hanns Klemm wurde von der GESTAPO verhaftet und nach hartem Verhör in die Irrenanstalt des Bürgerhospitals in Stuttgart eingeliefert. Die Ärzte hielten Hanns Klemm jedoch nicht für verrückt und er wurde nach Hause entlassen.
Am 12.Juni 1944 wird sein Betrieb beschlagnahmt und ein Reichskommissar eingesetzt.
Im März 1945 wurde er wieder von der GESTAPO verhaftet, verhört, verprügelt und sein Fall dem Standgericht überwiesen. Nur der Einmarsch der französischen Armee am 28.4.1945 rettete Hanns Klemm das Leben.

Nach dem Krieg war das Lebenswerk fast völlig vernichtet, das Haus in der Waldburgstraße war angezündet worden – mit fast allen Konstruktionsplänen und Berechnungen. Die Werkseinrichtungen waren demontiert, ein Teil der Gebäude zerstört.

1955 wurde Dr. Hanns Klemm Ehrenbürger der Stadt Böblingen.

Nachdem 1955/1956 der Bau von Flugzeugen wieder freigegeben wurde, versuchte Hanns Klemm gemeinsam mit seinem Sohn Hannsjürgen Klemm den Neuanfang und gründete die Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH. Vor Kriegsende waren bereits 20 Exemplare der Kl 107 gebaut worden. Dieses Flugzeug sollte nun auf den Markt gebracht werden.
Kurz darauf wurde zusammen mit Dr. Bölkow eine Arbeitsgemeinschaft zwischen der Hanns Klemm Flugzeugbau GmbH und der Bölkow-Entwicklungen KG gegründet. Dr. Bölkow überarbeitete die Pläne der Vorkriegs 107 und die erste Nachkriegs-Klemm startete am 4. September 1956 mit Karl Voy am Steuer  zu ihrem Erstflug.
Der Bau erfolgte bei der Apparatebau Nabern GmbH und im Oktober 1957 wurde aus der Arbeitsgemeinschaft die Kemm-Flugzeuge GmbH, mit Hannsjürgen Klemm und Richard Schreiber als Geschäftsführer. Die Firma hatte ihren Sitz in Böblingen. Es entstanden in kurzer Folge die Typen 107 A und 107 B; die Unterschiede lagen hauptsächlich in der Motorisierung. Der Typ A hatte den 90PS-Continental-Motor und war gemessen an der Rüstmasse des Flugzeuges zu schwach, so dass in Typ B der 150 PS Lycomming O 320 eingebaut wurde. Am 01. November 1957 ging die KL 107 in Serie.
Beim Typ C, der seine Musterzulassung am 29.September 1959 erhielt, wurde das Fahrwerk und der Kabinenbereich verbreitert. Die Zusammenarbeit zwischen Klemm und Bölkow entwickelte sich sehr schwierig und der Verkauf lief schleppend, so dass die Klemm-Flugzeuge GmbHam 30.April 1959 aufgelöst wurde und die Rechte der KL 107 auf den Apparatebau Nabern GmbH übertragen wurden. 
Ab diesem Zeitpunkt war die offizielle Herstellerangabe: Apparatebau Nabern GmbH und am Leitwerk stand KLEMM KL 107.
Bölkow entwickelte auf Basis der Erfahrungen aus der KL 107 einen Viersitzer in Schalenbauweise, der unter der Entwicklungs-Bezeichnung KL 107D lief. Bölkow vermarktete dieses Flugzeug, da es sich aus seiner Sicht um eine völlige Bölkow-Neukonstruktion handelte, unter seinem eigenen Namen, als Bölkow 207. Der Prototyp der 207 startete am 10.Oktober 1960 zum Erstflug; von diesem Flugzeug wurden 88 Exemplare gebaut.

Mit der Klemm 107C ist die Ära der Klemm-Flugzeuge zu Ende gegangen. Die letzte "Klemm" wurde 1961 gebaut. 
In Summe wurden von diesen 3 Typen, zwischen 1956 und 1961, 55 Exemplare hergestellt.

Am 30.04.1961 starb Hanns Klemm in Fischbachau / Oberbayern.

Die Firma Klemm besteht als "Klemm -Technik GmbH gegr. 1940bis heute in Böblingen und beschäftigte sich vorwiegend mit der Vermarktung des von Hanns Klemm entwickelten Kaurit-WHK-Holzleims.

Klemm-Flugzeuge setzten Meilensteine in der deutschen Luftfahrtgeschichte auf dem Gebiet der Sportfliegerei. 
Hanns Klemm und sein Werk sollten nicht vergessen werden und es ist unser Bemühen mitzuhelfen, dass weiterhin Klemm-Flugzeuge an unserem Himmel zu sehen sind.

 

Was ist das Erbe von Hanns Klemm?

Dr. Hanns Klemm ist aus heutiger Sicht der Vater der heutigen Ultra-Leichtflugzeuge, da er die Konstruktionsmerkmale von Leichtflugzeugen mit der L15 und den nachfolgenden Typen als Erster konsequent aufgegriffen und unternehmerisch umgesetzt hat.
Die von ihm aufgestellten Prinzipien wie ein wirtschaftliches und leistungsfähiges Sportflugzeug aussehen soll, haben auch heute noch Gültigkeit.

Wenn Sie die Leistungsdaten einer Klemm der frühen Jahre mit denen eines modernen ULs vergleichen, werden Sie frappierende Gemeinsamkeiten feststellen können.